Please disable Adblockers and enable JavaScript for domain CEWebS.cs.univie.ac.at! We have NO ADS, but they may interfere with some of our course material.

PaedagNeu_2011 (up)

2011-07-11 Uni Wien will allein für Lehrerausbildung verantwortlich sein (up)

10.07.2011 | 18:19 | CHRISTOPH SCHWARZ (Die Presse) 
 
Heinz Engl, ab Herbst der neue Rektor der Universität Wien, im Interview mit der "Presse" über Kooperationen mit den Pädagogischen Hochschulen (PH), den Wert der Mathematik und geheime Finanzierungsmodelle. 
 
Die Presse: In zehn Jahren sollen nur noch eigene „Pädagogische Unis“ für die Lehrerausbildung verantwortlich sein, heißt es im Konzept zur neuen Lehrerausbildung. Eine Idee, der sie sich anschließen können? 
 
Heinz Engl: Ich lese das nicht so im Regierungskonzept. Der Terminus „Pädagogische Uni“ etwa steht gar nicht drinnen. Wie übrigens auch das Wort Universitäten nicht vorkommt. Die politischen Streitigkeiten, die es gibt, wurden im Konzept dadurch entschärft, dass man nur abstrakt umschrieben hat, welche Voraussetzungen eine Institution haben muss, um Lehrer ausbilden zu können. Das kann eine Einrichtung innerhalb einer Uni sein – oder eine Kooperation mehrerer Institutionen. Wie gut das gelingt, werden wir dann in der Praxis erkennen. 
 
Wie will die Uni Wien die neue Lehrerausbildung umsetzen? Und welche Rolle soll dabei die PH Wien spielen? 
 
Die Universität Wien strebt eine Stand-alone-Lösung an. Wir sind in der Lage, die Lehrerausbildung mit einer eigenen Subeinheit gänzlich zu übernehmen. Wir sind mit mehr als 7500 Lehramtsstudierenden bereits jetzt die größte österreichische Lehrerbildungseinrichtung. Einige Fachbereiche, etwa in der Kindergartenpädagogik, werden wir durch Kooperationen ins Haus holen müssen. 
 
Was würde mit den pädagogischen Hochschulen in Wien passieren? 
 
Das ist noch zu diskutieren. Ich denke, dass es Möglichkeiten zur Kooperation auf Augenhöhe gibt. Die Uni Wien will aber die Trägerinstitution sein. Das heißt, dass wir die Curricula und die Rahmenbedingungen festlegen. Auch die Induktionsphase, die bisher nicht in unserer Hand war, wollen wir organisieren. Wir verzichten aber sicher nicht auf Expertisen aus den PH. 
 
Claudia Schmied sagt, sie wolle bei Personal und Finanzierung der neuen Institutionen selbst die Oberhand behalten. Könnten Sie sich als künftiger Rektor damit abfinden? 
 
Die Universität Wien hat in den letzten Jahren bewiesen, dass sie sehr gut in der Lage ist, in ihrer Autonomie Personalentscheidungen zu treffen, abgestimmt auf ihre Strategieplanung. Es gibt keinen Grund, diese Entscheidungsfreiheit einzuschränken. 
 
Wie viel Geld würden Sie benötigen, um die Lehrerausbildung zu stemmen? 
 
Das lässt sich noch nicht beziffern. Es werden natürlich mehr Studierende an die Uni Wien kommen. Dafür muss es ein Finanzierungsmodell geben. So wie bisher geht es nicht weiter. Horrorvision wäre, dass sich die Uni Wien aus der Lehrerausbildung zurückziehen muss. Ich denke, das kann niemand wollen, auch aus finanziellen Überlegungen nicht. 
 
Wie lange würde es dauern, eine eigene Subeinheit zur Lehrerbildung, etwa eine Fakultät, zu errichten? 
 
Wir befinden uns an der Uni derzeit in einer Diskussion über eine Änderung des Organisationsplans. Im Spätherbst kommen wir in die intensive Phase, ab diesem Zeitpunkt könnten Beschlüsse über mögliche neue Strukturen fallen. 
 
Kritiker bemängeln, dass die neue Lehrerausbildung zu stark auf Pädagogik und zu wenig auf Fachwissen und Fachdidaktik setzt. 
 
Als Naturwissenschaftler kann ich mir einen Mathematik- oder Physiklehrer, der nicht zumindest die Grundzüge der Quantenphysik verstanden hat, schwer vorstellen. Die Lehrer müssen auch in der Lage sein, den Schülern zu vermitteln, warum ihr Fach – etwa die Mathematik – eigentlich wichtig ist. Lehrer in unseren Schulen unterrichten vielfach zu wenig, welche Rolle Mathematik eigentlich in unserem Leben spielt. Im Unterricht schreiben sie dann den größten Kegel in einen Zylinder ein – und keiner vermittelt, wozu man das eigentlich braucht. 
 
Gut, dann der Praxistest: Wie würden denn Sie einem Schüler erklären, warum Mathematik wichtig ist? 
 
Alles in den Konstruktionsprozessen in der Autoindustrie ist heutzutage mathematisch simuliert. Genauso wie die Prozesse, die sich in einem Handy abspielen – von der Bildverarbeitung bis zur Signalverarbeitung –, Mathematik sind. Das ist unglaublich spannende Mathematik, und die kann man bereits in der Schule in Ansätzen vermitteln. 
 
Warum gilt es in Österreich immer noch als chic, schlecht in Naturwissenschaften zu sein? 
 
Mir passiert das bei jedem zweiten Gespräch. Die Menschen wollen mit solchen Aussagen suggerieren, dass man es auch ohne Mathematik im Leben weit bringen kann. Als Mathematiker wird man oft als Spinner belächelt, den es halt auch geben muss. Viele haben den Eindruck, Mathematik sei eine esoterische Wissenschaft, weil ihnen niemand erklärt hat, wofür wir sie im Alltag brauchen. 
 
Die neue Lehrerausbildung sieht keine strengen Selektionskriterien im Studium vor. Ein Fehler? 
 
Ich verwende den Begriff Selektion nicht gerne. Abgesehen davon ist die Frage nach Zugangsbeschränkungen eine, die wir uns nicht nur in Lehramtsstudien stellen müssen. Es wird auch in anderen Fachbereichen kein Weg daran vorbeiführen, mit der Regierung darüber zu reden, wie viele Plätze sie eigentlich finanzieren will. 
 
Bringt die Voranmeldung zur neuen Studieneingangsphase die versprochene bessere Planbarkeit? 
 
In dieser Form sehr eingeschränkt. Hätte man sie richtig organisiert, würden die Unis Informationen über benötigte Kapazitäten erhalten. Wenn sich aber, wie jetzt, jeder Student an zehn Unis für 50 Fächer anmelden kann, bringt das gar nichts. Die Eingangsphase selbst hat die Uni Wien übrigens schnell und effizient umgesetzt, um die bewusste Studienwahl zu fördern. 
 
Reizt es Sie, wie WU-Rektor Christoph Badelt die Republik zu klagen? 
 
Nein, Sonderwege heizen zwar die Diskussion an. Ich persönlich halte aber wenig davon. Ich setze auf die Studienplatzfinanzierung, zu der es schon gute Gespräche gegeben hat. 
 
Derzeit geht nicht viel weiter. 
 
Das stimmt. Das führe ich zum Teil auf den Ministerwechsel zurück. Aber nicht nur. Die Berechnungen, die das Wissenschaftsministerium selbst angestellt hat, haben gezeigt, dass die Unis bei einem vernünftigen Modell allein für die Lehre 900 Millionen Euro zusätzlich benötigen. Seither sind die Konzepte plötzlich unter Verschluss. 
 
Zur Person 
 
Heinz W. Engl (58) steht ab Oktober an der Spitze der Uni Wien. Der Linzer Industriemathematiker war seit 2007 Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung. Als Forscher hat Engl einen ausgezeichneten Ruf, als Rektor galt er als logischer Nachfolger von Georg Winckler, der nun nach zwölf Jahren abtritt. 
 
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2011) 

Argumente (up)

Eines steht jedoch zweifelsfrei fest – das Ende einer Ausbildung im sekundären Bildungsbereich bildet die Bescheinigung der „Hochschulreife / Universitätsreife“ in Form der Matura – es kann daher nicht sein, dass eine Institution für ein bestimmtes Ziel ausbildet – ohne Lehrende, die dieses Ziel aus eigener Erfahrung auch kennen. 

 
Ob und wie die Zukunft der LeherInnenausbildung aussehen wird hängt von vielen Punkten ab, die sachlich oft nicht begründbar sind. Es muss doch in erster Linie um die Qualität der LehrInnenausbildung gehen und nicht darum wer wo und wieviel Einfluss darauf ausüben will. Da muss BM Schmied noch ein wenig über ihren Schatten springen. 
 
Unsere Message muss jedenfalls lauten: bestmögliche Ausbildung für die, die unsere Kinder - unsere Zukunft - ausbilden! 
Wir als Universität Wien können diese Ausbildung auf allen Ebenen vermitteln - dazu braucht es keine neuen Erfindungen von Strukturen, etc. 

Sehr geehrte Mailinglisten-Leser*innen, 
Auf die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen LehrerInnenbildung ist jedenfalls hinzuweisen. Gleichzeitig ist der Hinweis ein schwacher, wenn in ihm nicht qualifiziert wird, worin die Qualität besteht. Das lässt sich unschwer beantworten: An der Uni Wien wird in der Lehrer/innenbildung systematische Analyse von Praxis betrieben, die methodisch auf ethnographischer Arbeit, Videoanalyse, Grounded Theory Methodology usf. beruht - gemeinsam mit Studierenden etwa im Rahmen von Praxisforschungs-Seminaren. Es ist dieser methodisch systematisierte Blick auf das Geschehen im Unterricht, den die PHs (meines Wissens) nicht leisten – und auch nicht leisten können, weil dort Arbeitende derart viel lehren, dass für diese arbeitsintensive Forschung kaum Zeit bleibt. Genau diese Art von Forschung wurde aber mehrfach in einschlägigen Aufsätzen als programmatische Notwendigkeit beschrieben, und zwar gleichzeitig aus bemerkenswert unterschiedlichen Paradigmen der Unterrichtsforschung von Lehr-Lern–Forschung in der psychologischen Tradition (z.B. Reusser), quantitiver Kompetenzforschung (z.B. Blömeke & Müller) bis hin zu ethnographischer Forschung (Breidenstein; Wiesemann) und rekonstruktiver Schulforschung (Gruschka; Hackl). So werden Handlungen des Unterrichtens und Aneignens aufgedeckt, die bislang häufig durch reifizierte Konzepte (Schülerorientierung, Handlungsorientierung, geöffneter Unterricht usf.) bezeichnet wurden. Sollen diese Handlungen des Unterrichtens durch sinnvolle Konzepte bezeichnet, diskutiert und entwickelt werden, ist es unabdingbar, dazu hinreichend Forschung zu betreiben. Diese Forschung und Entwicklung können PHs nur durch signifikante Umstrukturierung des Betriebs leisten – und darauf sollte hingewiesen werden. 
 
Beste Grüße 
Clemens Wieser 

Letzte Änderung: 12.07.2011, 09:59 | 1322 Worte