Encountergruppen
Kurzer Einblick, zusammengefasst nach (Rogers, 1984)
Ursprung
Die Bewegung zur Gruppe fand in etwa zur selben Zeit (1946, 1947) an zwei verschiedenen Orten statt und war mit zwei grundverschiedenen Motiven begründet:
Schon vor 1947 bemerkte Kurt Lewin, ein berühmter Psychologe vom MIT (Massachusetts Institute of Technology), dass die Ausbildung der Fähigkeiten zu menschlichen Beziehungen eine wichtige, aber vernachlässigte Kategorie der Erziehung ist. Die erste so genannte T-Gruppe (Trainings-Gruppe) wurde 1947 gebildet und in den darauf folgenden Jahrzehnten von der Organisation NTL (National Trainings Laboratories) unter Anstoß von der Industrie, von Managern und Geschäftsführern weiterentwickelt. Dieser Zweig entwickelte sich zuerst, da sich die Industrie die Kosten solcher Gruppenerfahrung für ihr Spitzenpersonal leisten konnte. Die Gruppen entsprachen T-Gruppen, ihre Mitglieder erfuhren das Wesen ihrer Interaktionen mit anderen Gruppenmitgliedern, um ihr eigenes Funktionieren besser zu verstehen und mit schwierigen Situationen besser fertig werden zu können.
In etwa zur selben Zeit (1946) befasste sich Carl Rogers an der University of Chicago mit der Ausbildung persönlicher Berater für die Kriegsopferversorgung. Rogers und seine Kollegen waren der Meinung, dass kognitives Training die Berater in keiner Weise auf ihre schwierigen Aufgaben vorbereiten würde und so experimentierten sie mit einer intensiven Gruppenerfahrung. Die Trainierenden fanden sich mehrere Stunden am Tag zusammen, um sich besser verstehen zu lernen, sich ihrer Einstellungen bewusst zu werden, und in einer Weise miteinander in Beziehung zu treten, die ihnen in ihrer Beratungstätigkeit nützlich sein konnte. Es war ein Versuch, das kognitive Lernen und das Lernen durch Erfahrung in einem Prozess zu verbinden, der für das Individuum von höchstem Wert war. Dieser Prozess vermittelte den Gruppenmitgliedern so tiefe und wichtige Erfahrungen und erwies sich als so erfolgreich, dass das Konzept in Sommer-Workshops weiter angeboten wurde und nach und nach durch verschiedene Akzente und Formen weiterentwickelt wurde.
Merkmale von Encountergruppen:
- Die Gruppe ist fast immer klein (8 - 18 Teilnehmer, es gibt jedoch auch Berichte von äußerst erfolgreichen Großgruppen), sie ist relativ unstrukturiert und sucht sich ihre eigenen Ziele und Richtungen.
- Die Erfahrung kann, muss jedoch nicht, eine erkenntnismäßig Zufuhr an Material einschließen.
- In fast allen Fällen besteht die Verantwortlichkeit des Leiters oder der Leiterin darin, den Ausdruck von Gefühlen und Gedanken seitens der Gruppenmitglieder zu erleichtern. Gruppenleiter und Gruppenmitglieder konzentrieren sich auf die unmittelbaren persönlichen Interaktionen.
Einige häufig auftretende Tendenzen in Encountergruppen sind folgende:
- In einer Gruppe lässt sich ein Klima der psychologischen Sicherheit herstellen, in dem sich nach und nach die Freiheit des Ausdrucks und die Reduktion von Abwehrverhalten einstellen. In einem solchen Klima werden unmittelbare Gefühle, Meinungen, Gedanken freier ausgedrückt und können besser erkannt werden.
- Aus dieser wechselseitigen und gemeinsamen Freiheit entwickelt sich ein Klima des gegenseitigen Vertrauens. Jedes Mitglied gelangt zu einer größeren Akzeptierung seines totalen Seins, so wie es ist.
- Bei vermindertem Abwehrverhalten können Menschen einander besser verstehen, es entwickelt sich ein Feedback von einer Person zur Anderen, so dass jeder erfährt, wie er/sie dem anderen erscheint.
- Die verbesserte Kommunikation führt zu neuen Ideen, Konzepten und neuen Richtungen. Innovation wird stärker wünschenswert als bedrohlich.
- Nach anfänglicher Unsicherheit und Spannung stellt sich eine Atmosphäre ein, in der freierer Ausdruck von Gefühle, Meinungen, Gedanken stattfindet. Diese Tendenz kann jedoch intellektuell alleine nicht erfahren werden, sondern bedarf des persönlichen Erlebens in einer solchen Atmosphäre.
Literatur zu Encountergruppen
Rogers, C. R. (1984). Encountergruppen – Das Erlebnis der menschlichen Begegnung. Fischer, Geist und Psyche
Letzte Änderung: 09.11.2007, 15:07 | 544 Worte