Einführendes (up)

 
Die Anforderungen und die Dynamik in heutigen ICT (Informations- und Kommunikationstechnilogie)-Projekten stellen hohe Ansprüche an die zwischenmenschliche Kommunikation. Um seinen Arbeitsplatz zu behalten, rät zum Beispiel das "Wall Street Journal" an erster Stelle: "Versuchen Sie, gut mit Ihren Kollegen zu kooperieren. Seien Sie zuverlässig und vertrauenswürdig. Die Fähigkeit, mit Menschen gut auszukommen ist das Wichtigste am Arbeitsplatz." (Zitiert im U-Express, 3.Dez. 2001, S. 8) Dieses Ergebnis bestätigte sich vollinhaltlich in unserer eigenen Studie (Motschnig-Pitrik, 2002), in der 35 Personen, primär Manager aus Unternehmen der ICT Brache, über die Anforderungen an Wirtschaftsinformatiker aus dem Blickwinkel der Wirtschaft befragt wurden. Aus 130 Begriffen zu Wissen und Kompetenzen wurde "soziale Kompetenz" an die erste Stelle gereiht. 
 
Auf das Erfüllen der kommunikativen und auch sozialen, inter- und intrapersonalen Anforderungen zielt die Personzentrierte Kommunikation ab. Sie kann als Ausdruck des Personenzentrierten Ansatzes nach Carl Rogers (USA: 1902 – 1987) erfahren werden. Der Begriff Personenzentrierte Kommunikation soll dabei auf die im Vergleich zum Begriff Personenzentrierte Gesprächsführung erweiterte Auffassung hindeuten, in der verschiedene Formen der Kommunikation wie Interaktion im Team, Führung, Verhandlung, Visualisierung, und auch die Kommunikation mit Unterstützung durch Neue Medien einbezogen werden. Letztere reicht von einfachem e-Mailing bis hin zu virtuellen Communities, über welche Personen sich austauschen, unterstützen, und von einander lernen können.  
 
Es mag vielen eigenartig anmuten, einen aus der Psychotherapie und Beratung abgeleiteten Ansatz in Zusammenhang mit Wirtschaft und ICT anzuwenden. Nachdem der Ansatz jedoch auf persönliches Wachstum und förderliche zwischenmenschliche Beziehungen abzielt und zudem theoretisch wie auch praktisch wohl fundiert ist, scheint es nicht weiter verwunderlich, ihn in Bereichen anzuwenden, wo einwandfreies menschliches "Funktionieren" einen Schlüsselfaktor mit großer Breitenwirkung ausmacht. Zwar ist und bleibt der Personzentrierte Ansatz in der psychologischen Beratung gut aufgehoben, wir sehen jedoch neue Anwendungsmöglichkeiten in der Verbreitung in andere Bereiche, wie zum Beispiel Management und lebenslanges Lernen, die wiederum von dieser Anwendung profitieren können. 
 
Personenzentrierte Kommunikation (PZK): Definitionsansatz 
Unter PZK verstehen wir alle Formen der zwischenmenschlichen Interaktion, die auf höchste Transparenz, Echtheit, Toleranz, respektvollen Umgang und tiefes Verständnis der Meinungen und Gefühle der Partner ausgerichtet sind. Ihr Kern liegt in der inneren Einstellung zur personenzentrierten Seinsweise ("way of being"), die auf Kongruenz, Akzeptanz und empathischem Verstehen aufbaut und auf ein situatives Ausballanzieren dieser drei Faktoren gerichtet ist. Durch das kongruente Angebot der drei Einstellungen wird ein Klima geschaffen, in dem sich Personen optimal entfalten und signifikant lernen können. Die PZK stellt somit eine Fortführung und erweiterte Sichtweise der Personenzentrierten Gesprächsführung nach Carl Rogers dar. Die PZK inkludiert alle Interaktionsformen, welche die Erreichung des obigen Ziels fördern, wie zum Beispiel Moderation, computervermittelte Kommunikation, Stimmungsbilder zur Visualisierung von Gruppenmeinungen, etc. 
 
Anders als bei diversen unterstützenden Techniken, kann die Entwicklung einer Person in Richtung einer Personzentrierten Seinsweise intellektuell alleine nicht erfahren werden, sondern Bedarf persönlicher Erfahrung und eines längeren Zeitraumes zur Entwicklung bzw. Reifung. Jeder kann jederzeit die ersten Schritte in Richtung der Entwicklung einschlagen. Für uns bedeutet jeder Schritt eine Vertiefung, die wir nicht missen möchten. 
 
Die Rolle der zwischenmenschlichen Kommunikation in österreichischen Organisationen der ICT-Branche illustriert der obere Teil der Abbildung [?]. Daraus ist ersichtlich, dass für 95% der Befragten, primär Manager und Absolventen der Wirtschaftsinformatik, erfolgreiche Kommunikation einen führenden Erfolgsfaktor in der Projektarbeit bedeutet. Die Abbildung [?], die aus einer Erhebung der Anforderungen an Wirtschaftsinformatiker aus der Sicht von Unternehmen stammt, zeigt auch ein weiteres, bezeichnendes Ergebnis: Es betrifft die Aufstellung der Quellen, aus welchen in Unternehmen primär gelernt wird. In diesem Bereich übernimmt das Lernen von Kollegen und durch Teamarbeit die führende Position. Die Vermutung liegt daher nahe, dass Kommunikation und zwischenmenschliche Beziehungen eine tragende Rolle in der intellektuellen, wie auch persönlichen Erweiterung spielen und diese Faktoren gerade für künftige Führungskräfte richtungweisend sind. Für Wirtschaftsinformatiker kommt noch hinzu, dass sie häufig Beratungsaufgaben übernehmen und an der Schnittstelle zu den Fachabteilungen fungieren. Für diese Aufgaben ist es sehr wichtig, dass sie auf andere Personen eingehen können und sie möglichst tief verstehen, um kundenorientiert agieren zu können. Aus diesen Gründen sehen wir es nicht nur als gerechtfertigt, sondern auch als verantwortungsvoll und förderlich an, uns dem Thema Kommunikation im Kontext zwischenmenschlicher Beziehungen zuzuwenden. Dies erfolgt auf eine Art und Weise, die wir, basierend auf unseren Erfahrungen, für die konstruktivste und nachhaltigste halten. In einem Atemzug ausgedrückt: Durch die Vereinigung von intellektuellen und erfahrbaren, spürbaren Erlebnissen in einer förderlichen, kooperativen Atmosphäre. 
 
Die Lehrveranstaltung Personzentrierte Kommunikation lädt jeden Teilnehmer und jede Teilnehmerin aktiv auf, sich an ihrer Ausrichtung, und Gestaltung so zu beteiligen, wie es ihm/ihr aber auch der Gruppe am besten entspricht. Wir bauen auf einer anerkannten Theorie auf, die wir schrittweise Erarbeiten werden, die wir aber auch an die speziellen Bedürfnisse unserer Zeit des Internet und unserer beruflichen Ausrichtung anpassen können. Was wir aus dieser Lehrveranstaltung konkret machen, liegt in erster Linie an uns selbst. 
 
Ergebnisse einer online-Umfrage in Organisationen im Rahmen der Erfassung von Anforderungen an Wirtschaftsinformatiker. (n = 119, Diplomarbeit "getProfile"; Karasek und Zelger, 2003)
Abbildung 1: Ergebnisse einer online-Umfrage in Organisationen im Rahmen der Erfassung von Anforderungen an Wirtschaftsinformatiker. (n = 119, Diplomarbeit "getProfile"; Karasek und Zelger, 2003)
 
Das Ziel des vorliegenden Skriptums ist es, einen ersten Einblick in Personzentrierte Grundsätze zwischenmenschlicher Kommunikation zu ermöglichen und zwar aus dem Blickwinkel der Anwendung in Projekten, der Teamarbeit und allgemein allen zwischenmenschlichen Beziehungen. Damit wollen wir einen Schritt in Richtung eines Ausgleichs der technisch-wirtschaftlichen mit der sozial-menschlichen Sichtweise unternehmen. Bei diesem Schritt sehen wir uns jedoch sofort mit einem gröberen Problem konfrontiert: Weiterentwicklung oder "Lernen" entlang der sozial-menschlichen Dimension kann intellektuell alleine nicht vermittelt werden, sondern bedarf vielmehr eigener Erlebnisse, um in den Erfahrungsschatz einer Person assimiliert werden zu können. Einen ersten Eindruck dieses Erlebens zu bieten ist also ein primäres Ziel der begleitenden Workshops. Die das Skriptum ergänzenden Literatursplitter sind begleitend als Einstimmung, Motivation und Diskussionsgrundlage gedacht, einfach als etwas zum Nachdenken, wie auch als Referenzmaterial für das Reflektieren und Aufarbeiten von Übungsthemen im Rahmen der Gruppenarbeit. 
 

Überblick (up)

Der erste Teil: "Der Personzentrierte Ansatz nach Carl R. Rogers" stellt die Basis und zugleich einen groben Überblick zu diesem, vom berühmtesten amerikanischen Psychologen C.R. Rogers entwickelten Ansatz dar. Nach einer allgemeinen Beschreibung folgen kurze Ausschnitte zu den Kernkonzepten des Personzentrierten Ansatzes mit Angaben zu weiterer Literatur. 
Dieser Teil ist von der Lehrveranstaltungsseite [1] herunterladbar. 
 
Der zweite Teil "Auszüge aus der Literatur" enthält Ausschnitte zu wichtigen Themen, die wir im Laufe der Lehrveranstaltung und der Hausarbeiten ergründen und durch eigene Eindrücke ergänzen wollen. 
 
Links zum Personzentrierten Ansatz: 
Ergänzend finden Interessenten Rogers' Kurzbiographie und eine sehr lesbare Zusammenfassung seiner Theorie unter [2]. Die Anwendung von Rogers' Theorien auf das Lehren und Lernen, wie auch weitere Implikationen seiner Theorien und seines Wirkens sind unter [3] zusammengefasst, wo auch weiterführende Literatur diskutiert wird. Ein weiterer, interessanter Link verweist auf die Homepage des 100-jährigen Carl Rogers Symposiums [4] insbesondere die Beiträge aus dem weiten Anwendungsbereich des Personzentrierten Ansatzes. Weitere Links und Ressourcen sind unter [5] zu finden. Unsere eigenen Artikel zum Personzentrierten Ansatz und dessen spezieller Anwendung im e-Learning: "Personzentriertem e-learning" (PCeL), finden sich unter [6]. Interessenten an ausgewählten wissenschaftlichen Arbeiten der LVA-Begleiter zum Personzentrierten Ansatz finden im Folgenden kurze Beschreibungen und Links zu unseren Artikeln: 
 
Falls Sie Anmerkungen oder Diskussionspunkte zu obigen Themen haben, kontaktieren Sie uns direkt unter «ladislav.nykl@univie.ac.at», oder «renate.motschnig@univie.ac.at». 
 
1
«http://www.pri.univie.ac.at/courses/wi-knm/ws06/index.php?m=D&t=info&c=show&CEWebS_what=Skriptum», Renate MOTSCHNIG, Lehrveranstaltungsseite - WI/KNM Kommunikation und Neue Medien, WS 2006
2
«http://www.ship.edu/~cgboeree/rogers.html», C. George BOEREE, Carl Rogers Biography and Theory, 2006
3
«http://www.infed.org/thinkers/et-rogers.htm», Mark K. SMITH ,Carl Rogers, core conditions and education, 2005
4
«http://www.saybrook.edu/crr», The Carl R. Rogers Symposium, 2002
5
«http://elearn.pri.univie.ac.at/pca/links», The Person-Centered Approach in Higher Education - Resources and Links
6
«http://elearn.pri.univie.ac.at/pca/projects/pcel», Renate MOTSCHNIG, The Person-Centered Approach in Higher Education - Person-Centered e-Learning (PCeL)
7
«http://www.pri.univie.ac.at/courses/wi-knm/ws06/index.php?m=F&t=info&c=afile&CEWebS_what=Skriptum&CEWebS_rev=18&CEWebS_file=Motschnig_CRC2002_Uniting_Rogers.pdf», Motschnig-Pitrik R. & Nykl L. (2002). Uniting Rogers' and Vygotsky's Theories on Personality and Learning. Paper presented at the Carl Rogers Conference 2002, 24-28 July, San Diego, USA.
8
«http://www.pri.univie.ac.at/courses/wi-knm/ws06/index.php?m=F&t=info&c=afile&CEWebS_what=Skriptum&CEWebS_rev=18&CEWebS_file=Motschnig_JHP03_Towards_a_Cognitive_Emotional.pdf», Motschnig-Pitrik R. & Nykl L. (2003). Towards a Cognitive-Emotional Model of Rogers' Person-Centered Approach. Journal of Humanistic Psychology, 43(4), 8-45.
9
«http://www.pri.univie.ac.at/courses/wi-knm/ws06/index.php?m=F&t=info&c=afile&CEWebS_what=Skriptum&CEWebS_rev=18&CEWebS_file=Motschnig_GWG2002_Ein_kognitiv_emotionales.pdf», Motschnig-Pitrik R. & Nykl L. (2002). Ein kognitiv-emotionales Modell zur Klärung der Wirkungsweise von Rogers' Personenzentriertem Ansatz. Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächsführung, 1(1), Köln, Germany.
10
«http://www.pri.univie.ac.at/courses/wi-knm/ws06/index.php?m=F&t=info&c=afile&CEWebS_what=Skriptum&CEWebS_rev=18&CEWebS_file=Motschnig_PCA2003_PM3levels.pdf», Motschnig-Pitrik R. & Nykl L. (2003). First Steps towards Person-Centered e-Learning: Concept and Case Study in Project Management. Proceedings of the 1st International Conference of the Forces for Personal Change in the Context of the Person-Centered Approach, Brno, Czech Republic.
Letzte Änderung: 02.03.2010, 15:31 | 1621 Worte